Die Mutprobe

Alter Schlüssel

Ich habe nicht darüber nachgedacht und schon war es passiert.

Warum hast du das gemacht?

Ich weiß es nicht.

War es ein Hilferuf, was meinst du?

Glaubst du? Ich weiß es nicht. Es war wie eine Mutprobe für mich.

Du wolltest anderen etwas beweisen, du solltest dir vielleicht andere Freunde suchen.

Nein. Keiner meiner Freunde hat das von mir verlangt. Es war eine Mutprobe vor mir selbst. Ob ich mich das trauen kann.

Kannst du dir den trauen, bist du dir selbst ein Freund?

Wer bin ich denn?

Ich finde, du bist ein liebenswerter Mensch. Jeder Mensch ist das. Du bist es. Viele Menschen machen etwas, was nicht gut ist. Aber das heißt nicht, dass diese Menschen schlecht sind. Es sind nur ihre Taten, die schlecht sein können. Aber nicht die Menschen. Da muss man unterscheiden. Die schlechten Taten müssen ihre angemessenen Konsequenzen haben, damit Menschen erfahren, lernen, was sie dürfen und was nicht. Was andere Menschen in ihrem Recht auf Leben, ihre Freiheit, ihr Hab und Gut, oder gar ihr Leben, einschränken würde. Aber den Menschen als solchen kann man nicht verurteilen. Dazu hat kein anderer Mensch das Recht. Denn keiner ist weniger oder mehr als der andere. Das ist der wahre Sinn der Gleichberechtigung zwischen allen Menschen. Das sollte der Kern unserer Menschenrechte, unserer Gesellschaft, sein.

Du findest immer so kluge Worte, aber es ändert nichts. Ich weiß nicht, wer ich bin. In dieser Welt.

Ich weiß. Du bist noch jung. Seinen Platz, seine Werte zu finden, in dieser Welt ist schwer. Wichtig ist nicht das Ziel, denn wenn du es erreicht hast, werden sich neue Ziele ergeben.

Man braucht doch Ziele.

Ja, natürlich. Wichtiger ist der Weg. Ein Sprichwort sagt: Der Weg ist das Ziel. Es muss auch nicht der gerade Weg sein, ein Umweg eröffnet oft ganz neue Perspektiven. Und auf diesen, deinen Weg, sind deine Taten wichtig. Das du Verantwortung übernimmst. Für dich. Dass du dir selbst ein Freund bist. Bei allem was du tust, dir selbst in die Augen schauen kannst. Das zu können ist Mut. Mutig sein heißt nicht, dass man verwegen ist und sich irgendetwas, ohne nachzudenken, traut. Mutig sein heißt, dass man sich traut, sich selbst wirklich zu zeigen. Auch vor sich selbst. Mutig sein heißt, anderen, unter Einsatz aller Kraft, zu helfen.

Muss ich mich für andere aufopfern?

Nein, nicht unbedingt, denn wenn man sich für andere aufopfert, dann besteht die große Gefahr, dass man sich im Sein für andere, im Glauben, selbst verliert. Man ist so sehr mit anderen, für andere beschäftigt, dass man sich selbst dabei aus den Augen verliert. Über die eigenen Kräfte hinaus geht. Das ist eine große Gefahr. Wesentlich ist, dass man den Bezug zu sich selbst nicht verliert.

Wenn ich zuviel getrunken habe, weiß ich am nächsten Morgen manchmal gar nichts mehr vom Abend davor.

Ja, das ist die große Gefahr der Drogen. Erst tun sie einem gut, ermöglichen Spaß und Unbeschwertheit. Andere Drogen erhöhen sogar die Leistungsfähigkeit, die Ausdauer, die Kreativität. Aber die Gefahr ist dabei, dass man mehr und mehr sich selbst darin verliert. Nicht mehr ohne Drogen sein kann, um zu funktionieren. Und natürlich sind Drogen auch nie ohne körperliche Nebenwirkungen.

Aber, wenn ich mich anderen zeige, wie ich bin, wirklich bin, werde ich diese dann nicht vergraulen, weil sie mich dann vielleicht nicht mehr mögen? Es ist doch nicht alles gut, so wie ich bin. Ich werde so vielleicht nicht gemocht.

Ich verstehe deine Angst. Wer sagt denn, was gut ist. was richtig ist. Ich finde, wichtig ist es, authentisch zu sein. Zu spüren, dass man echt ist, nichts vorspielt. Denn was passiert, wenn man dann etwas sieht, was man vom anderen so nicht kennt?

Man ist enttäuscht.

Genau. Da ist es doch besser, sich nicht zu verstecken. Dann kann die Wahrheit, dass schauen hinter die Maske, nicht enttäuschen. So bleiben die Menschen, die Freunde übrig, die wirklich deine Freunde sind, weil sie dich, mit all deinen Facetten, mögen, ohne diese, ohne dich zu bewerten. Weil sie dich nicht verändern möchten. Sie dein Werden, deine Entwicklung gut finden, dich fördern. Und du genau so bist. Nicht anders. Die echten Freunde. Vielleicht sind das dann weniger. Das ist nicht schlimm. Es sind die, auf die du dich wirklich verlassen kannst.

Wenn aber Menschen, die mich nicht so kennen, von denen ich aber abhängig bin, auf Arbeit fällt mir ein, alles von mir sehen, dann kann das auch schlecht für mich sein. Sie könnten meine Schwächen ausnutzen.

Du hast recht. Es gibt Situationen, es gibt Menschen, die ihren Vorteil darin sehen, andere auszunutzen. Du musst schon abwägen, was du wann, wem, von dir zeigst. Leider ist das so.