Das Wunder von Deutschland

Thüringen

S., der Vorsitzende einer großen Partei in Bayern, trifft sich mit Vertretern eines führenden Energieunternehmens zum Arbeitsessen. Auf der Speisekarte steht Weißwurst. Mit dabei sind der Pressesprecher des Unternehmens und eine Managerin eines Chemiekonzerns. Alle sind in guter Hoffnung auf wunderbare Geschäfte.

„Zurzeit steigen die Ölpreise massiv. Wir brauchen Alternativen zur Energieversorgung. Und wir brauchen Unabhängigkeit vom Öl, von einzelnen Ländern, von Kartellen, die die Preise diktieren. Wir brauchen neue Wege, wie wir den Energiebedarf der Industrie decken können. Nur das sichert das Wachstum im Land, nur das sichert den Wohlstand. Hier unser Vorschlag: Lassen sie uns ergebnisoffen prüfen, in welchen Regionen wir Erdgas aus undurchlässigem Gestein lösen könnten. Andere Länder zeigen doch, wie Fracking dazu beiträgt, mit dem gewonnenen Gas unabhängiger von Erdöl zu werden…“, so ein Vertreter des Unternehmens.

Der Pressesprecher twittert sofort, dass bei Gesprächen mit dem Vorsitzenden der großen bayrischen Volkspartei beschlossen wurde, Fracking in Deutschland ergebnisoffen zu prüfen. Schon am gleichen Tag wird in den 20 Uhr Nachrichten diese Neuigkeit verbreitet.

Das Ergebnis des Gespräches bei Weißwurst war aber ein ganz anderes. So völlig missverstanden ging ein Ruck durch den Vorsitzenden, und schließlich durch seine Partei. Dies war der Beginn eines fundamentalen Umdenkens in Deutschland. Der Ökologisierung. Der Start einer gesellschaftlichen Revolution.

In der Regierung hat die große Volkspartei, in der großen Koalition, in kürzester Zeit viele neue Gesetze beschlossen. Erst schien es, dass es immense Widerstände in der Bevölkerung und der Industrie geben würde, aber diese Widerstände wurden eher hochgespielt, von einzelnen Gruppen und Lobbyisten, die ihre Macht, ihre Gewinne in Gefahr sahen.

Wir können nicht mehr auf Kosten der Zukunft leben, auf Kosten der Natur, auf Kosten der Menschen, die nach uns leben werden

Dieser Leitgedanke, der mit absoluter Mehrheit ins Grundgesetz aufgenommen wurde, ist die Basis des Kreislaufgesetzes. Im Volksmund auch Weißwurstgesetz genannt.

Es geht in der Wirtschaft nicht mehr um Wachstum, sondern darum, wie gut der Kreislaufgedanke umgesetzt wird. Das alleine zählt. Recycling ist der neue Volkssport. Wir werfen nichts mehr weg! Wer am besten recycelt, wer dabei am wenigsten Energie einsetzt, die einfach nur verpufft, oder schlimmer, die Umwelt verschmutzt, der gewinnt die meiste Anerkennung.

Nach dem Kreislaufgesetz muss jedes neue Vorhaben von einer Kommission geprüft werden. Fracking zerstört den Boden, die Gesteinsschichten und belastet die Wasserqualität des Grundwassers. Durchgefallen. Der Preis ist zu hoch.

Wir in Deutschland sind Vorreiter mit dem Kreislaufgesetz. Natürlich können wir das alte System nicht von heute auf morgen ändern. Aber wir sind auf dem besten Weg.

Es werden immer mehr Geschäfte und Supermärkte, die nach dem Kreislaufgesetz funktionieren. ReWe hat auf der letzten Vorstandssitzung beschlossen, mehr Märkte unter den Label OeKo zu führen. In den Geschäften, unter diesen Namen, gibt es kaum noch Verpackung aus Kunststoff. Der Anteil liegt zurzeit bei 5%, weiter sinkend.

Die allermeisten Lebensmittel, die in den deutschen Handel kommen, werden in Deutschland angebaut. Vieles kommt aus der Region. Zum Transport bringen die Kunden die Behälter mit, oder sie leihen sich diese. Zwar ist die Vielfalt des Angebotes stark gesunken, dafür ist die Qualität aber weit besser geworden. Die Tomaten schmecken wieder wie früher, sagt meine Oma.

Die mit hohem Aufwand hergestellten Fertigprodukte verschwinden aus den Regalen. Denn kaum einer kauft diese sowieso noch, außer die ewig Gestrigen.

Die Eigentumsfragen waren mit am schwersten zu regeln. Ziel war es, diese Fragen gerecht zu klären.

Eigentum an Natur wurde komplett abgeschafft. So wie auch Menschen kein Eigentum sein können, die Sklaverei gibt er seit Jahrhunderten nicht mehr, so gibt es kein Besitz mehr von Land und Tieren.

Aber natürlich müssen Menschen sich um die Natur kümmern. Dazu können sie Naturpate werden. Bisherige Eigentümer wurden das automatisch. Die Naturpatenschaft kann vererbt werden, um eine lange Kontinuität zu gewährleisten. Das Naturpatengesetz regelt die Grundlagen, auch die Gründe, aus denen Menschen die Patenschaft verlieren können. Verantwortung übernehmen für die Natur, die Umwelt, ist die wesentliche Voraussetzung, um Naturpate zu sein, zu bleiben.

Um der Natur eine wirkliche Stimme zu geben, ist ein komplett neuer Beruf entstanden. Natursprecher vertreten die Natur. Natursprecher und Naturpaten arbeiten Hand in Hand, stimmen sich ab und entscheiden demokratisch. Naturrichter entscheiden in Konfliktfällen, wobei die Natursprecher als Anwälte der Natur auftreten.

Besitz an Dingen regelt sich nach dem gleichen Prinzip. Das Dingepatengesetz bestimmt das genauer. Wir übernehmen Verantwortung für alles, was wir nutzen. Das kann gemeinsam eine Gruppe sein, oder auch einzelne Personen. Wenn wir für etwas sorgen, dann leitet sich daraus das Recht ab, es auch nutzen zu dürfen. Immer im Einklang mit den Grundgedanken, die das Kreislaufgesetz vorgibt.

Fürsprecher und Paten übernehmen die Aufsicht darüber, ob Regeln eingehalten oder verletzt werden. Im Prinzip funktioniert das System wie eine Familie, in der die Eltern Verantwortung für die Kinder übernehmen und mit Liebe umsorgen.

Upcycling, Ausgedientes für neue Funktionen umzugestalten und weiter zu verwenden, ist eine weitere Idee, die unter anderem mit dem Wiederverwertungsgesetz umgesetzt wird.

Die traditionelle Autoindustrie ist in Deutschland komplett zusammen gebrochen. Das Entschleunigungsgesetz führte dazu, dass der Absatz stark sank. Wachstum, schneller und mehr war bisher das Motto, der gesellschaftliche Wert. Langsam, aber dafür richtig, eher weniger, aber dafür ökologisch, ist das neue „Mehr“, das gesellschaftliche Ziel.

Aber die Menschen, die Arbeiter, was ist mit denen? Wir können fast alles reparieren. Dafür brauchen wir Menschen, dafür brauchen wir alle. Wo früher der VW Golf vom Band lief, reparieren wir heute. Volkswegen, vormals Volkswagen, in Wolfsburg ist in Deutschland führend bei der Entwicklung von Technologien des Recyclings. Porsche und BMW bauen hochmoderne Generatoren für Windräder. Mercedes startet das Projekt Wiederverwertung im großen Umfang.

Neue Industrie entsteht. Viel kleiner, viel lokaler. Manches fast Vergessene ist wieder modern. Bekleidung kommt seit neusten mehr und mehr aus Deutschland, Glasbläsereien boomen, die Metallverarbeitung an Flüssen ist neu am Entstehen, weil es dort Energie im Überfluss gibt. Das Handwerksgesetz regelt die Rahmenbedingungen.

In Deutschland ermitteln wir nicht mehr die Arbeitslosigkeit. Jeder, der will, jeder der kann, hat Arbeit. Aber keiner muss. Dafür gibt es das Versorgungsgesetz. Jeder Mensch ist von Geburt an versorgt. Weil das Leben an sich den Wert darstellt.

Die Versorgung ist an keine Bedingungen geknüpft. Wer arbeitet, bekommt dafür kein Geld, kein Gehalt. So wie früher ja auch keine Mutter, keine Frau, für ihre Arbeit in der Familie zuhause, bezahlt wurde.

Aber das heißt eben nicht, dass keiner mehr arbeiten geht. Gewerkschaften gibt es weiterhin. Sie setzen sich in der Hauptsache für die gesellschaftliche Wertschätzung ein. Denn die soziale Anerkennung bekommen die Menschen nicht dadurch, was sie machen. Sondern alleine dadurch, dass sie leben und dass sie etwas tun, das für andere Menschen gut ist oder das ökologisch nachhaltig ist und dem Kreislaufgedanken entspricht.

Finanziert wird das Leben der Menschen über Steuern der Betriebe, transparent geregelt im Finanzgesetz. Steuern für das Leben der Menschen. Wobei das Finanzsystem viel mehr als ein Tauschsystem zu verstehen ist als vor der Ökowende.

Wichtig in der Gesellschaft ist die Förderung der Kreativität und der Bildung. Kunst, Musik werden als wertvolles Kulturgut unterstützt. Wer gerne bunte Bilder malt, der darf das. Der wird dafür wertgeschätzt. Wer gerne in der Sonne sitzt, liest, in die Welt schaut, der darf das. Denn wer weiß schon, was daraus wird, welche kreativen Ideen so geboren werden. Und wenn nicht. Dann vielleicht viel später, durch seine Kinder.

Das Leben ist ein Prozess des Werdens und Vergehens. Menschen dürfen Fehler machen. Kein Mensch wird an den Pranger gestellt, bloßgestellt. Seelische Gesundheit entwickelt sich nicht unter Druck. Bedrohung des Lebens, der Gesundheit, egal von Menschen oder der Natur, stehen unter Strafe. Aber die Strafen bedeuten immer, dass Menschen, geschult werden, pädagogisch und psychologisch betreut und begleitet werden. Keiner wird mehr eingesperrt. 

Wir Menschen können uns nur frei, freiwillig entscheiden. Aber auch dies ist oft ein steiniger Weg.

Am wichtigsten ist die Gesundheit des Menschen, der Seele, als Teil der Natur. Und das Leben. Im Jetzt. Jetzt und in der Zukunft.

Das System funktioniert super in Deutschland, die Menschen übernehmen Verantwortung. Weit mehr als früher in der Ellenbogengesellschaft. Die Menschen sind zufrieden, sind glücklich. 

Nur leider ist das kein Wille eines Vorsitzenden einer großen bayrischen Volkspartei.  Als S. aus seinem Traum aufwachte, ist er verwundert und erstaunt über seine utopischen Ideen.

1 Kommentar
  1. Sabrina
    Sabrina sagte:

    Lieber Michael, ein schöner Traum der für einen Moment glücklich macht, aber eben nur ein Traum. Ein kurzer Hauch von Zufriedenheit gleichsam einer Spur im Sand die von der Tagespolitik verweht wird.

    Danke für diesen wundervollen Aufsatz
    Sabrina

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